"das lebendige, fruchtbare Verbindungsglied zwischen der Einwohnerschaft und den Künstlern".
Im letzten Regierungsjahre König Max I. eröffnete der Münchner Kunstverein seine erste Ausstellung. Die günstige Entwicklung des jungen Unternehmens fiel in die glänzende Ära, welche König Ludwig I. in seiner Hauptstadt nun erstehen ließ; mit dem höher pulsirenden künstlerischen Leben, das die Münchner Stadt erfüllte, mit seiner immer reicher sich gestaltenden Ausstellung wuchs auch der Kunstverein und gedieh zu ungeahnter rascher Entfaltung.
Zweiundvierzig Künstler und Freunde der Kunst hatten sich am 26. November 1823 zu einer ersten Besprechung behufs der Gründung eines Vereins zur Hebung der bildenden Künste in Bayern bei dem Staats-Lithographen Winter in dessen Wohnung zusammengefunden, am Schlusse des Jahres 1824 war die Mitgliederzahl dieser neuen Vereinigung schon auf 275 angewachsen, zehn Jahre später zählte der Verein 1425, dann 1844 die respektable Zahl von 3161 Mitgliedern. Die politische Bewegung des Jahres 1848, die Thronentsagung König Ludwigs I. und andere Verhältnisse hielten nun lange Zeit das fernere Wachsthum des Kunstvereins zurück, derselbe blieb auf der gleichen Höhe, als 1874 die Zahl der Mitglieder sich plötzlich auf 4600 erhob und von da an stetig zunahm und Ende der neunziger Jahre 6000 zählte.
Aus seinen eigenen Mitteln erwarb der Verein in der Zeit seines Bestehens Kunstwerke im Betrage von über fünf Millionen Mark, theils zur Verloosung unter seine Mitglieder, theils für seine bleibende Sammlung. Diese letztere, erst im letzten Decennium begonnen, war schon bei der Gründung des Vereins geplant, aber dieser Gedanke Angesichts der knappen anfänglichen Mittel aus praktischen Gründen fallen gelassen worden. Jetzt, unter günstigen pekuniären Verhältnissen, säumte man nicht, die einstigen Wünsche zur That werden zu lassen. Aber auch keine geringe Summe ist es, welche der Kunst und den Künstlern in Folge zahlreicher Privatankäufe durch die vermittelnde Thätigkeit des jetzigen Geschäftsführers, des kgl. Rathes Wülfert, zufloß. Kaum eine Woche vergeht ohne Verkaufsabschlüsse.
Unter den Verhältnissen der letzten zehn Jahre war der Kunstverein der "neutrale Boden, auf dem alle Richtungen, so erbittert und feindlich sich auch Secession und Glaspalast*) gegenüberstanden, friedlich vertragen und miteinander künstlerisch vergleichen können".
Und das wird der Kunstverein aller Voraussicht nach auch in kommenden Jahrzehnten bleiben. Seit jener Zeit, da der Kunstverein zum ersten Male mit einer kleinen Ausstellung vor das Publikum trat, hat sich hier das Ausstellungswesen zu einer bisher noch von keiner anderen deutschen Stadt (trotz größter Anstrengungen) erreichten Spezialität entwickelt.
Mit dem Aufblühen der bildenden Künste, mit der fortschreitenden Entwicklung der Kunstbildung überhaupt, traten mehrfach Spaltungen in der Künstlerschaft ein, bedingt eben durch die Verschiedenartigkeit der Kunstanschauungen. Der ewige Kampf
*) Der Glaspalast wurde für die im Jahre 1854 veranstaltete "Deutsche Industrie-Ausstellung" nach Entwürfen von A. v. Voit erbaut. Die Bauzeit betrug blos ein halbes Jahr. Er besteht nur aus Eisenkonstruktion und Glas (ungefähr 80,000 Glasscheiben). Der Flächeninhalt beträgt 12,000 qm.