geschriebenen Heiligenstücken Platz zu machen. Aber nur für kurze Zeit. Der gebildete Theil des Münchener Publikums protestirte energisch gegen die Anmaßung der Stadtmusikanten. Man hatte in München den Geschmack an den Passionskomödien verloren. (Man verlor ihn auch an den anderen geschmacklosen Vergnügungen jener Zeit. So wurde am 13. November 1772 im Kiemgarten (früher städt. Waisenhaus) vor dem Sendlingerthor in Gegenwart des Hofes, die letzte "Thierhatz" abgehalten, bei welcher ein Ochse, ein Wolf, ein Luchs, ein Stier, ein Bär und ein Esel in der Arena erschienen.)
Die kunstbeflissenen Stadtmusikanten spielten ihre Passionskomödien fortan auf eigene Rechnung weiter, und Niesser setzte wieder das deutsche Schauspiel in sein Recht ein. Angespornt durch den errungenen Erfolg wandte Niesser seine Aufmerksamkeit nun auch der Pflege des deutschen Singspiels zu, Er wurde, in diesem Bestreben von einem Mitgliede seiner Gesellschaft, dem Schauspieler Paul Reiner, und von dem Hofkriegsrathssekretär Förg unterstützt. Letzterer übersetzte und bearbeitete auch bessere Opern aus dem Französischen und Italienischen für das Faberbräutheater. Die glänzenden Einnahmen, welche Niesser mit dieser Neuerung erzielte, verwandte er zur Neuanschaffung von Garderobe, Dekorationen und sonstigen Verbesserungen seiner Bühne. Die ungemein rührige Thätigkeit, welche Niesser entfaltete, ermöglichte ihm in einem Monat vier neue Stücke einzustudiren und in Scene zu setzen. Schließlich wurde man auch bei Hofe auf diese künstlerischen Bestrebungen aufmerksam und der theaterliebende Kurfürst Max III. äußerte den Wunsch, die Vorstellungen der Niesser'schen Truppe zu sehen. Zu diesem Zwecke überließ man Nießer das alte, leer stehende Opernhaus am Frauenfreithof. Am 1. März 1773 gab Niesser im Opernhaus die erste Vorstellung und zwar das hiefür von der Kurfürstin Maria Anna eigens aus dem Französischen übersetzte Schauspiel: "Der Nothleidende". Der gesammte Hof wohnte der Aufführung an und der Erfolg des Stückes war ein so durchschlagender, daß Niesser fast allwöchentlich im alten Opernhause spielen mußte.
Für ihn war dieser Erfolg nur ein neuer Ansporn zur erhöhten, künstlerischen Thätigkeit. Die noch vorhandenen Lücken im Personal wurden mit bewährten Kräften ausgefüllt und die Größen der Schauspielerkunst jener Zeit als Gäste gewonnen. Dem Repertoir wurde eine besondere Sorgfalt zugewendet. Neben den besten Novitäten erschien 1774 Lessings "Mina von Barnhelm" zum ersten Male auf der Bühne des Faberbräutheaters und wurde mit begeistertem Beifall aufgenommen.
Die Verdienste, die sich Niesser um das deutsche Theater in München erworben, sollten nicht unbelohnt bleiben. Die Akademie der Wissenschaften ließ eine goldene Medaille auf den Begründer des deutschen Schauspiels in München prägen, die Nießer mit einem äußerst schmeichelhaften Handschreiben überreicht wurde.
Als Seeau die Direktion unter Maximilian III. übernommen, da verstärkte er das Nießer'sche Ensemble und dieses spielte nun abwechselnd im alten Opernhaus und im Faberbräu. Auf den Theaterzetteln wurde dieser Wechsel dem Publikum durch die Buchstaben O. und F. angedeutet.
Als aber Karl Theodor die Marchand'sche Gesellschaft zwei Jahre später aus Mannheim brachte, da trat Nießer als Schauspieler mit 600 fl. Gage in dieselbe ein,