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die Aufgabe zu, für die beiden großen und prunkvollen Familienfeste des kurfürstlichen Hofes anläßlich der Geburt der Prinzessin Maria Anna und später derjenigen des Thronfolgers Max Emanuel Festspiele zu schreiben, von denen diejenigen zur Geburtsfeier Max Emanuels auf wesentlich höheren Stufen standen, als die für das erste Familienereignis geschriebene Oper "L'Erinto", zu der Joh. Kaspar Kerll*), der spätere hochbegabte Leiter der Hofkapelle, die Musik komponirt hatte.

Heldentenor Brizzi.
(Mitglied der italienischen Oper in München von 1790-1813, der gefeiertste Tenor seiner Zeit.) Gest. 1854 in Starnberg.

Über diese Oper ist ja vorhin schon erzählt worden. Mit Kerll kam ein neuer Geist in das musikalische Leben Münchens.

"An seine Persönlichkeit knüpft sich der erste Kampf der Italiener mit den Deutschen, die neue von Ferdinand Maria errichtete Hofbühne war der Tummelplatz der Gegner. Die verwöhnten italienischen Hofsänger, die nicht winden konnten, daß ein Deutscher ihr Vorgesetzter war und außerdem gegen ihren konzertirenden Styl strengere Anforderungen an sie zu stellen wagte, stellten sich ihm in den Weg." Über die innere Natur des Kampfes wird uns nichts mitgetheilt, aber es scheint doch, daß hier der Schüler der Römer denen der Toskaner, der Vertreter des strengen Kirchenstyls und des deutschen Tiefsinns, den Vertretern der weltlichen und leichteren Musik und der italienischen Oper gegenüberstand. Schon die Berufung Kerlls auf den Posten des Sohnes und Nachfolgers Orlando deutet die Richtung an, in der sein Wirkungskreis sich erstrecken sollte. Und dem gegenüber entfaltet sich nun etwas Neues am Münchner Hofe, die Oper. Vergebens ernannte Ferdinand Maria seinen Kapellmeister zum kurfürstlichen Rath; der fortwährenden Reibereien müde, gab Kerll 1673 seine Stellung am Münchner Hofe auf und siedelte nach Wien über. Später ist er nach München zurückgekehrt und 1693 da gestorben. Nicht seine Opern begründeten seinen Ruf, sondern sein staunenswerthes Orgelspiel, seine ebenso für die Orgel komponirten trefflichen Werke. Er war ein Schüler der Römer, ein strenger Stylist, ein Mann, der auf der von Carissimi geschaffenen Grundlage fortarbeitete und in der dramatisch-epischen Behandlung der Cantate mehr zum Oratorium als zur Oper hinüberlenkte. - "Ein Schüler Benevolis, Herkules Bernabei, trat an seine Stelle. So halfen die Italiener mit ihrem Virtuosenthum, ihren Opern und ihrer weltlichen Musik eine Stimmung verflachen, welche sich in Bayern vor Anker gelegt. Es mußte dahin kommen, bevor eine neue Saat aufzugehen vermochte. Sie halfen aber ebenso die bäuerliche Unbeweglichkeit des bayerischen Lebens durchbrechen, und so bereitete die Musik einem


*) Joh. Kasp v. Kerll, geb. 1625. Einige behaupten, er stamme aus Sachsen, während ihn Ruthart für Bayern (Ingolstadt) proklamirt. Er trat an Stelle Rudolfs v. Lassos, des Sohnes Orlandos. Seine Studien hatte er in Rom unter Carissimi und Frescobaldi gemacht.

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